Was sind biodynamische Weine?

Der Mond im Wein – mehr als Hokuspokus.
12.11.2020

Rudolf Steiner habe ich immer ein wenig belächelt.

Seine Lehre zu Esoterik, Homöopathie und spiritueller Wissenschaft kam mir vor wie Hokuspokus. Ich steckte ihn in die gleiche Kategorie wie Handleser. Rückblickend realisiere ich, dass ich seine Lehren einfach nicht verstanden hatte bzw. mich damit nicht auseinandersetzte und es mir deswegen komplett fremd rüberkam. Classic Mensch halt. Man kennt oder versteht etwas nicht und schon ist man dagegen.

Heute bin ich ein grosser Fan von biodynamischer Landwirtschaft bzw. biodynamischem Weinbau.

Und wieso? Weil es Ruhe in die Natur sowie in die Weingüter bringt. Alle biodynamischen WinzerInnen erzählen mir vom gleichen Phänomen: Nach dem Zyklus des Mondes zu arbeiten, bringt ihnen einen gewissen Rhythmus ins Leben.

Biodynamische Weingüter arbeiten nicht nur mit dem Mond, sondern auch mit Präparaten, die aus rein natürlichen Mitteln hergestellt werden. Dazu gibt's hier mehr. In diesem Artikel fokussieren wir uns auf die Einflüsse des Mondes auf den Wein.

«Gspührsch de Vollmond?»

Die Wissenschaft sagt, dass der Mond keine Auswirkungen auf die Natur inkl. uns Menschen hat. Die Astrologie und gewissermassen auch Rudolf Steiner sind natürlich ganz anderer Meinung, denn sie deuten Zusammenhänge zwischen astronomischen Ereignissen und irdischen Vorgängen.

Wie immer im Leben. Jeder Mensch darf an das glauben, was er oder sie will. Oder wie es der grosse Osman mal so schön sagte: «jede cha mache, waser wott, well jede stot dezue, waser macht».

In diesem Sinne stelle ich euch gerne den Weinbau im Zyklus des Mondes vor:

Der Schlüssel zur Biodynamik liegt darin, den Betrieb in seiner Gesamtheit als lebendiges System zu betrachten. Zu diesem Zweck sollen biodynamische Betriebe geschlossene, sich selbst unterhaltende Systeme sein. Die Biodynamik betrachtet den Hof oder das Weingut im Kontext von lunaren und kosmischen Rhythmen. Die Kraft des Mondes sei nicht zu unterschätzen, wenn man bedenkt, dass er Ebbe und Flut auslöst. Einige der wichtigen Prinzipien der biodynamischen Landwirtschaft sind folgende:

Im aufsteigenden Mond

Im aufsteigenden Mond (die Phase vor und nach dem Leermond) zieht der Mond immer höhere Bögen am Himmel. Ergo scheint mehr Licht auf die Erde, dadurch wird der Saftanstieg in den Pflanzen stärker. Die Energie ist auf das Geschehen über dem Boden gerichtet.

Folgende Arbeiten werden ausgeführt:

  • Präparat 501 über die Felder sprühen
  • Ernten
  • Aussaat

Präparat 501:

Hornkiesel: Kuhhörner werden mit gemahlenem Quarz gefüllt und im Boden vergraben; der Inhalt wird später mit Wasser verdünnt und über die Felder gesprüht, um das Wurzelwachstum zu fördern und das Bodenleben zu aktivieren.

Im absteigenden Mond

Im absteigenden Mond (die Phase vor und nach dem Vollmond) zieht der Mond immer niedrigere Bögen. Ergo scheint weniger Licht auf die Erde: Somit richtet sich die Energie in den Boden hinein.

Folgende Arbeiten werden ausgeführt:

  • Reben zurückschneiden
  • Bepflanzung ruhender Rebflächen
  • Kompostherstellung und -verteilung
  • Rebenkultivierung
  • Präparat 500 über die Felder sprühen

Präparat 500:

Hornmist: Kuhhörner werden mit Kuhmist gefüllt, im Boden vergraben, der Inhalt später mit Wasser verdünnt über die Felder gesprüht. Wirkt wie Dünger: Regt Bodenaktivität und Wurzelwachstum an.

Wissenschaft und Biodynamik

Wissenschaftler sagen, dass Winzer und Winzerinnen stärkere Gezeitenkräfte auf Pflanzen wirken lassen als der Mond, und dass diese Eingriffe effektiv Aberglaube ist. Ich glaube der Wissenschaft. Jedoch glaube ich auch an einen ganzheitlichen Weinbau. In der biodynamischen Bewirtschaftung wird der Boden nicht nur als Träger für Pflanzenwachstum, sondern als eigenständiger Organismus betrachtet. Natur, Mensch, Rebe ... wir sind eins und je vorsichtiger (Biodynamischer Rebbau erlaubt keine synthetischen Hilfsmittel) und nachhaltiger wir arbeiten, desto mehr bleibt für unsere Nächsten.

"Wasser dynamisieren"

Zum biodynamischen Weinbau gehört neben der Verwendung von verschiedenen Präparaten (aus Kamille bis Schachtelhalm), das Arbeiten nach den Mondphasen (nicht zwingend für das Zertifikat), aber auch das Dynamisieren des Wassers.

Die zwei Präparate Hornmist und Hornkiesel werden separat im Wasser rhythmisch verrührt, was eben "dynamisieren" heisst, um sie danach als Spritzpräparate im Rebberg zu versprühen. Was das bringt, erklärt dir Demeter, die Biodynamik-Zertifikationskontrollstelle:

Bei diesem Rührvorgang handelt es sich um mehr als bloss einen Mischungsvorgang, mehr als die Übertragung von Informationen. Es geht um die innige Durchdringung des benötigten Wassers mit den in den Präparaten konzentrierten, belebenden Kräften. Im Rührvorgang bringt der Mensch die Polaritäten Licht und Dunkelheit, Kosmisches und Terrestrisches, Schwere und Leichte, Auf- und Abbau, Formkräfte und Substanzbildung kräftig miteinander in Beziehung.

Hokuspokus? Vielleicht. Ein schöner Gedanke? Auf jeden Fall.

Meiner Meinung nach ist der biodynamische Weinbau eine Ehrensache der Natur gegenüber. Und wenn die WinzerInnen sagen, dass ihre Reben nicht unter der Klimaerwärmung leiden bzw. Jahr für Jahr stabile Qualität ernten können, weil ihre Reben gelernt haben, sich selber zu regulieren, dann glaube ich ihnen das auch gerne. Man schmeckt es ja auch.

Kleiner Tipp meinerseits. Schaffhausen hat ein super tolles Mikroklima, welches biodynamischen Anbau favorisiert und ist zur Zeit die Biodynamik-Hochburg der Schweiz. Gönnt euch mal eine Flasche bei Vollmond und lasst euch von den kosmischen Schwingungen inspirieren.