Biodynamisch - esoterisch?
Naturgeschenke statt Spritzmittel
Kamille beruhigt. Quarz stärkt das Immunsystem. Brennnessel belebt. Man könnte meinen, dass ich mir gerade eine homöopathische Behandlung reinziehe. Jedoch befinde ich mich einfach inmitten einer Führung von Winzerpaar Cédric und Nadine Besson-Strasser und fühle mich wieder wie ein Kind. Wir riechen an Schafgarbenblüten, verreiben Löwenzahn und pflücken Kamillenblüten. Natürlich stecke ich auch meine Nase in ein Kuhhorn - gefüllt mit getrocknetem Kuhmist. All diese Naturgeschenke sind Präparate, die als natürliches Spritzmittel und Kompost dienen.
Hier in Laufen-Uhwiesen SH gehe ich einer ganz persönlichen Faszination nach: der Biodynamik. So mystisch wie dieses Wort auch klingt, ist diese Thematik auch. Man arbeitet mit Energien, die aber nachweislich weit weg von Hokuspokus und Expelliarmus sind. Am Beispiel der Ebbe und der Flut erkläre – nicht rechtfertige – ich gerne die Auswirkung des Mondes auf die Erde. Wenn der Mond also ganze Ozeane verschieben kann, wieso sollte das nicht auch in der Erde passieren?
Die Mondphasen.
Weingüter, die biologisch-biodynamisch arbeiten, schaffen nach genau diesen Mondphasen. Beim aufsteigenden Mond (nicht mit dem zunehmenden Mond zu verwechseln) ist der Saftanstieg in den Pflanzen stärker. Weil die Energie über dem Boden wirkt, fokussiert man sich auf die Erdoberfläche und erntet oder sät dann.
Beim absteigenden Mond richtet sich die Energie in den Boden hinein und man stellt Kompost her, verteilt Dünger, kultiviert Reben etc. Dieser Zyklus mit Kräften, die von unten und oben wirken, erinnert uns daran, dass der Boden nicht einfach ein Träger unseres Futters und Gesöffes ist, sondern als eigenständiger, lebendiger Organismus daherkommt und sich, wenn er gesund ist, selber unterhalten kann.
«Nach dem Mond zu arbeiten, bringt einen wunderbaren Rhythmus ins Leben. Ganze Arbeitsschritte und komplexe Entscheidungen anhand des Mondkalenders umzusetzen, ist beruhigend»,
sagt Francisca Obrecht vom Weingut zur Sonne an der Biodynamik Master Class von Francesco Benvenuto («Igniv», Bad Ragaz und Sommelier des Jahres 2018). Nach der Master Class verrät mir ihr Mann Christian beim gemeinsamen Mittagessen im gemütlichen «Igniv», dass sich doch jeder Mensch nach ein wenig Rhythmus und Harmonie sehnt. Ich schaue zu meinem Tisch rüber, wo sich meine Freunde wegen des letzten Stücks Chioggia-Randen-Stangensellerie-Makrele die Köpfe abreissen. Kopfnickend stimme ich ihm zu.