Brauche ich spezielle Weingläser?
Es ist sind zwei der Fragen, die mir am häufigsten gestellt werden: Spielt Form und Art des Weinglases wirklich eine Rolle? Und kann man je nach Weinglas tatsächlich einen Unterschied bemerken? Meine Antwort: Ja, und sogar mega krass!
Versuche es mal, und schenk dir Wein in einen Plastikbecher ein. Du wirst umgehend einen Termin bei deinem Hals-Nasen-Ohren-Arzt vereinbaren, weil du aufgrund der Becherform rein gar nichts riechen wirst.
Bevor wir zur Wichtigkeit von Gläserformen kommen, will ich noch drei andere Faktoren erwähnen, die auch einen grossen Einfluss auf dein Trinkerlebnis haben.
3 Faktoren beeinflussen dein Trinkerlebnis:
Der Stiel des Glases
Der Stiel des Glases hat tatsächlich eine Funktion. Anhand des Stils kannst du den Wein besser und eleganter schwenken.
Für alle, die ihren Wein am Kelch (Bauch) halten: Hör sofort auf!
Wenn du den Kelch des Weinglases zum Halten benötigst, erwärmst du deinen Wein, was du wirklich nicht willst, weil wöh.
Ausserdem wirst du höchstens deine Hand und evtl. ein wenig Schweiss oder Handcrème riechen, weil deine Hand sich so nahe an deiner Nase befindet. Auch wöh.
Und zu guter Letzt sieht dein Glas nach drei Schlücken aus, als hätte es ein Baby geknutscht: fettig, schmierig und klebrig.
Und wie ich immer zu sagen pflege: Lieber einen Suff mit Stil als ein Weinglas ohne Stiel.
Die Dicke des Glases
Auch die Dicke des Glases spielt eine grosse Rolle beim Verkosten des Weines.
Je weniger Glas zwischen dir und dem Wein ist, desto besser, denn so nimmst du mehr vom Wein wahr als vom Glas. Einige Restaurants besitzen Gläser von den Herstellern Zalto oder Gabriel. Trinkst du aus ihnen, wird es dich richtiggehend aus den Socken hauen – vor allem auch, weil die Gläser so leicht sind und du den Eindruck bekommst, den Wein ohne Erdanziehungskraft zu trinken. Schier schwerelose Prachtexemplare!
Die meisten Weingläser bestehen übrigens aus verschiedenen Mineralien wie Quarzsand, Pottasche und Metalloxiden, welche sich bei ca. 1500°C zu einer flüssigen Glasmasse verwandeln. Die genaue Zusammensetzung ist allerdings meist ein Geheimnis der jeweiligen Hersteller.
Schwenken, nicht denken!
Egal ob es sich um Weiss-, Schaum- oder Rotwein handelt, schwenke dein Glas! Das ist essentiell, denn jeder Wein entfaltet sich besser mit Sauerstoff.
Wieso? Weil sich die Aromamoleküle am Ethanol (Alkohol), welches durchs Schwenken verdunstet, festklammern und so aus dem Glas in deine Nase und in deinen Gaumen kommen. So landen mehr Aromen in deinem Gehirn und der Wein wirkt aufgeschlossener, expressiver. Du riechst einfach viel mehr. Punkt.
Und nun zum Eingemachten.
Die Glasformen
Es gibt Weingläser in Dutzenden von Formen, dazu gemacht, einem Wein das absolute Maximum seines Potenzials zu entlocken.
Für den Anfang empfehle ich ein Universalglas, in dem Weiss- und Rotweine gleichermassen gut zur Geltung kommen. Fast jeder Glashersteller bietet ein solches Glas an.
Wer sich aber mit den Finessen befassen will, dem sei Folgendes empfohlen:
Das Weisswein-/Rosé-Glas
Schmaler Kelch, schmale Öffnung
Für alle Weissweine empfehle ich kleinere Weingläser, die nach oben eine schmalere Form behalten. Ein Ausnahme bilden nur schwerere Chardonnays, die für ihren volleren Körper einen grösseren Kelch zum Entfalten benötigen,
Das Weissweinglas bewahrt florale Aromen vor dem sofortigen Entweichen. Auch kommt die Säure so schön zum Ausdruck.
Ein nicht zu verachtender Vorteil solcher Gläser ist, dass das kleinere Glas mit weniger Oberfläche dafür sorgt, dass der Weisswein kühl bleibt.
Das Schaumweinglas
Schmaler Kelch, noch schmalere Öffnung
Schaumweine sind prickelnde Weine. Doch sie verfügen auf jeden Fall über mehr als nur Kohlensäure und können Frucht- oder wunderbare Bäckereiaromen aufweisen. Deshalb empfehle ich hier das gleiche Glas wie für Weisswein.
Wenn du es wirklich ernst meinst: Mittlerweile gibt es sensationelle Champagnergläser aus Kristall, die einen etwas breiteren Bauch für die Aromaentfaltung aufweisen und einen spitzigen Glasboden haben, der die Bubbles in einer einzigen feinen Linie nach oben prickeln lässt. Der Wahnsinn!
Moment, was spricht gegen das Flûte-Glas?
Die Flûte ist perfekt, um die Kohlensäure im Schaumwein zu bewahren. Kohlensäure entweicht in diesem Glas nur sehr langsam, was eigentlich wunderbar ist, jedoch können kaum irgendwelche Aromen von diesem Reagenzglas entweichen, da sich der Schaumwein NULL entfalten kann. Es fehlt schlichtweg an Platz (zum Schwenken). Früher machte diese Form aber absolut Sinn, da der Champagner ungefiltert auf den Markt kam und sich die Sedimente schön auf den Boden absetzen konnten und während dem Trinken auch da unten blieben.
Jää, und die Champagnerschale?
Champagnerschalen sehen zwar unglaublich cool aus, jedoch sind sie für den Schaumweingenuss absolut ungeeignet. Denn der Champagner hört wegen der grossen Oberfläche in der Schale sehr schnell auf zu prickeln und schmeckt nur noch langweilig und flach. Zudem wird er auch viel zu schnell warm, da Schale und Stiel sehr eng beieinander liegen. Tipp: Trinke schneller, so bleiben die Bubbles drin und der Schaumwein kalt ;-) Aber im 17. Jahrhundert, als diese Gläser zum ersten Mal auf den Markt kamen, ging es auch nicht um gemütlichen Genuss. Champagner wurde schlichtweg in einem Schluck heruntergeschletzt – wie heute Tequila. Zudem war es einfacher, die Sedimente aus der kleinen, runden Schale zu schütteln, nachdem man den Champagner getrunken hatte.
Das Burgundglas
Sehr runder Kelch, schmalere Öffnung
Diese Gläserform ist für Weine gedacht, die elegante, feine Aromen und einen eher leichten Körper haben – wie zum Beispiel Pinot Noir, Gamay, Zweigelt oder Nebbiolo.
Durch das Schwenken im Glas öffnet sich dieser Wein mit seinen eher diskreten Aromen gut, und dank der schmaleren Öffnung entweichen die Aromen nicht gleich.
Das Bordeauxglas
Gleichmässig breiter Bauch, mit ähnlich grosser Öffnung
Ich habe schon einige Verkostungsrunden mit diversen Weinen aus verschiedenen Gläsern auf meinem Buckel. Dabei habe ich festgestellt, dass Rotweine aus einem Glas mit breiter Öffnung tendenziell weicher schmecken. Dieser Effekt kann der Hammer sein, wenn es um kräftigere Weine geht.
Bordeauxgläser sind für genau solche Weine gedacht: Weine mit wuchtigeren Aromen wie zum Beispiel Cabernet Sauvignon oder schwererem Körper wie Amarone. Durch den grosszügigen Kelch können sich die Aromen mit der Luftzufuhr entfalten, während sie nach oben und hinaus gleiten. Die breitere Öffnung bzw. Oberfläche erlaubt, dass etwaiger Alkoholgeruch entweichen kann. Eine Mini-Karaffe sozusagen.
Selbstverständlich gibt es dann noch weitere Gläser für Fruchtdestillate, Liköre, Grappe und Dessertweine, aber ich will ja keinen Doktor machen und klemme hier ab.
Was ich euch empfehlen kann, ist, dass ihr bezüglich guten Rates für passende Gläser direkt bei Wein- oder Fruchtproduzenten anklopft. Die wissen, wie's läuft, und bleiben sicher auch am Boden der Tatsachen: Es gibt ein Glas für alles, aber schlussendlich geht es um Genuss und nicht um Physik.