Weinetiketten entziffern
Cuvée, 14% vol., Garanoir: Beim Lesen von Weinetiketten kann einem schon mal der Kopf brummen, gerade so, als ob man einen schlimmen Kater hätte. Was die Beschriftung von Wein angeht, gibt es grosse Unterschiede zwischen Weinländern und -regionen. Da durchzublicken, sei eigentlich unmöglich im Sinne von: ein Fass ohne Boden, sagt Madelyne Meyer, Bestsellerautorin, Weinbloggerin und -händlerin. Geholfen hat sie uns trotzdem.
Wo steht, was wichtig ist?
Die obligatorischen Angaben müssen alle im selben Sichtfeld angebracht sein, heisst es im Reglement: also entweder auf der Vorderetikette oder hinten.
Was muss denn da überhaupt vermerkt sein?
Name und Adresse einer Produzentin, einer Weinkellerei oder eines Händlers. Der Alkoholgehalt, der dann um höchstens 0,5% vol. abweichen darf. 12,5% vol. heisst also, der Gehalt kann irgendetwas sein zwischen 12 und 13% vol. Drittens muss die Menge aufgeführt sein. Fun Fact: Bei einer Füllmenge von mehr als 20 cl muss die Schrift mindestens vier Millimeter hoch sein. Bei mehr als 100 cl sogar sechs.
Schliesslich darf ein Hinweis auf Stoffe, die Allergien auslösen könnten, nicht fehlen. Zum Beispiel «enthält Sulfite».
Eine Fantasieetikette mit einem Namen, der frei erfunden ist, sowie den freiwilligen Bezeichnungen Réserve und Cuvée. Erstere bedeutet, dass der Rotwein mindestens ein Jahr gelagert wurde – das gab ihm Zeit, «sich zu entfalten und zu sich zu kommen, so wie beim Yoga». Cuvée bedeutet, dass verschiedene Traubensorten oder gleiche aus verschiedenen Parzellen gemischt wurden. Und «superduper» bedeutet das Gleiche wie «spéciale», «prestige» oder «grand vin» – also nichts und alles. Aber von einem guten Wein kann man ausgehen.
Enthalten denn nicht alle Weine Sulfit?
Doch, selbst Naturweine sind nicht sulfitfrei. Sulfite können auch während der alkoholischen Gärung entstehen. Sie verhindern, dass ein Wein weitergärt, deshalb fügt man dem Wein im konventionellen Weinbau zusätzlich Schwefeldioxid zu – und das muss man deklarieren. Leider raubt ihm das auch ein wenig Leben. Weniger ist also mehr.
Bei vielen Schweizer Weinen steht AOC hinter einer Region. Was heisst AOC?
Das sind Weine mit einer kontrollierten Ursprungsbezeichnung («Appellation d’Origine Contrôlée»), sie weisen auf Spitzenweine hin. Winzerinnen, die ihren Wein so kennzeichnen, müssen eine Menge Regeln einhalten, zum Beispiel müssen mindestens 90% der Weinmischung aus den Trauben der angegebenen Region stammen.
Angenommen, es steht «2020» auf dem Wein – wurden wirklich alle Trauben letztes Jahr geerntet?
Nicht unbedingt. Es müssen aber mindestens 85% sein.
Wie ist der Wein, wenn auf der Etikette steht, dass er von «alten Reben» stammt?
Alte Reben ergeben oft konzentrierteren und komplexeren Wein, weil ihre Wurzeln verflochtener sind und so mehr Mineralien aufnehmen können. Was «alt» bedeutet, ist jedem Winzer selber überlassen – als Konsumentin muss man ihm einfach glauben.
Was ist besser: wenn ein Rotwein «im Edelstahltank gelagert» oder «im Fass gelagert» wurde?
Das ist abhängig von den Traubensorten. Ersterer dürfte fruchtiger sein. Letzterer runder, und manchmal schmeckt man sogar Röstaromen wie Vanille und Caramel.
Wenn nur eine Traubensorte angegeben ist, zum Beispiel Merlot, ist dann auch wirklich nur Merlot drin?
Zu mindestens 85%, ja.
Féchy, Dézaley, Yvorne, Aigle – sind das Traubensorten?
Nein. Das sind alles Schweizer Ortschaften, in denen Chasselas-Trauben wachsen – die im Wallis übrigens Fendant heissen.
Was heisst eigentlich «cru»?
Das ist eher in Frankreich geläufig und bedeutet «Gewächs». Auf einer Weinetikette beschreibt das Wort eine Lage, «grand cru» also eine besonders gute Lage.
Apropos «grand»: Was um Himmels willen ist ein «Grand Vin»?
Das, was man vermutet, ein grosser Wein, idealerweise also der beste eines Weinguts. Richtlinien für diese Bezeichnung gibt es keine.
«Cuvée» ist auch so ein Wort.
In der Schweiz sagt man dazu auch Assemblage oder Verschnitt. Sprich: Das ist eine Mischung aus verschiedenen Traubensorten. Aber nicht nur: Eine Cuvée kann auch ein Mix sein von verschiedenen Parzellen derselben Traubensorte sein.
Was erwartet mich bei einem Wein, auf dem «Réserve» steht?
Ein gehobener Wein. Der Begriff «Réserve» darf auf die Etikette geschrieben werden, wenn Weissweine mindestens einen 12-monatigen und Rotweine mindestens einen 18-monatigen Reifungsprozess durchgemacht haben. Ein «Réserve du Patron», also der Wein des Chefs, wird oft für den «besten Wein» des Weinguts gebraucht, ähnlich wie der Grand Vin. Die Bezeichnung «Reserve de la patronne» ist leider (noch) nicht geläufig.
Was bedeuten die Begriffe «trocken», «halbtrocken», «lieblich» oder «süss»?
Sie weisen auf den Restzuckergehalt hin.
Warum steht manchmal auf der Etikette, ein Wein sei vegan? Sind das nicht alle?
Nein. Bei der Produktion dürfen in diesem Fall keine tierischen Nebenprodukte verwendet werden, also zum Beispiel nicht mithilfe von Kasein, einer Fischblase oder gar Gelatine geklärt werden.
All das muss in der Schweiz auf einer Etikette stehen: Der Jahrgang, die Menge, der Alkoholgehalt, Name und Adresse der Händler*in und Angaben zu allfälligen Gefahren von Allergien.